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Channel: Wie war der Tatort?
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Unten im Tal

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Folge: 1225 | 12. Februar 2023 | Sender: SWR | Regie: Kerstin Polte
Bild: SWR/Benoît Linder
So war der Tatort:

Generationsübergreifend.

Doch es dauert eine ganze Weile, bis sich in Bezug auf die verwandtschaftlichen Verhältnisse in diesem Krimi der Durchblick einstellt: Unten im Tal erzählt ein Familiendrama im Tatort-Korsett, das sich in einem verschlafenen Dörfchen von den argwöhnischen Großeltern über drei Generationen bis hin zur frisch konfirmierten Enkelin spannt – und macht es dem Publikum einleitend unnötig schwer.

Denn der Einstieg in den zehnten Schwarzwald-Tatort gestaltet sich unübersichtlich bis chaotisch: Regisseurin Julia Langhof und Drehbuchautorin Nicole Armbruster, die beide zum ersten Mal für die Krimireihe am Ruder sitzen, werfen uns in die Geschichte hinein, ohne die Charaktere einzuführen und erzählen auf zwei Zeitebenen gleichzeitig. Die Hauptkommissare Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner) und Franziska Tobler (Eva Löbau) stoßen mit etwas Verspätung hinzu und wärmen einen Cold Case auf, der sich seinen Namen nicht nur wegen der verschneiten Landschaftsaufnahmen verdient.

Vor rund 15 Jahren ist die Teenie-Mutter Rosa Winterfeld (Carlotta Bähre) spurlos verschwunden – nun wird ihre Leiche an einem See gefunden. Rosas Tochter Antonia "Toni" Winterfeld (ebenfalls gespielt von Carlotta Bähre) ist die einleitend genannte Konfirmandin, die in Berlin aufgewachsen und nun bei ihren Großeltern Josef (Cornelius Obanya, Glück allein) und Meike Winterfeld (Inka Friedrich, Schwarze Tiger, weiße Löwen) untergekommen ist. Die mittlere Generation stellen Rosas verwaiste Jugendfreundin Elif Topcu (Canan Samadi, Tollwut) und Rosas damaliger Freund Axel Leibing (Tonio Schneider), der nicht nur an Diabetes leidet, sondern auch Tonis Vater ist.

Damals wie heute hauptverdächtig ist aber ein Anderer: Josef Winterfelds Cousin, der vorbestrafte Gewalttäter Werner Trödle (Aurel Manthei, Wunder gibt es immer wieder), der dem Opfer einst nachgestellt hatte und für einen anderen Mord hinter Gitter wanderte. Nicht nur Berg hat ihn nach der Sichtung alter Videoaufnahmen schnell als mutmaßlichen Täter ausgemacht.


BERG:
Schon allein dafür hätte man den damals für 'ne Weile wegsperren müssen. Aber nee, der musste ja erst noch seine Freundin erschlagen.


Durch den Fokus auf Trödle offenbart sich schnell, dass der 1225. Tatort trotz des sperrigen Auftakts und der überraschend früh platzierten, obligatorischen zweiten Leiche ein nach klassischer Bauart konstruierter Krimi ist: Tobler und Berg treffen auf ein halbes Dutzend Tatverdächtige, die den Freiburger Kommissaren bei den Routinebefragungen Entscheidendes verschweigen. Und der unglaubwürdigste Verdächtige, gegen den erdrückende Indizien vorliegen und der kein Alibi vorweisen kann, ist am Ende natürlich nicht der gesuchte Mörder – das wäre ja viel zu einfach.

So plätschert Unten im Tal wie so viele Folgen aus dem Schwarzwald fast eineinhalb Stunden unaufgeregt vor sich hin, ohne dass die Spannungsamplitude ausschlagen würde. Selbst eine nächtliche Begegnung mit einem wilden Wolf wirkt eher mystisch als elektrisierend. Ein schlechter Krimi ist der Film aber nicht, weil er auf der B-Seite mit guten Darstellern, einer dichten Atmosphäre und einem stimmigen Arrangement punktet. Störende Zwischentöne, die etwa den missglückten Vor-Vorgänger Saras Geständnis aus dem Rhythmus brachten (Stichwort: Hundehaufen), gibt es hier nicht. Das Privatleben der Kommissare klammern die Filmemacher konsequent aus. Neckereien oder nicht-berufliche Gespräche finden im Drehbuch keinen Platz.

Was dem dialoglastigen, aber sehr stimmungsvollen Tatort fehlt, ist das gewisse Etwas: Im zehnten Schwarzwald-Tatort findet nichts statt, was man nicht schon in anderen Folgen gesehen hätte. Es fehlen die Ecken und Kanten. Entsprechend schnell ist der Krimi vergessen, sein Wiedererkennungswert liegt bei Null. Besondere Schwächen hat der Film nicht, besondere Stärken aber eben auch nicht. Markantestes Merkmal der Beiträge aus dem Breisgau bleibt ihr Schauplatz.

Die größte Stärke des Films ist sein starkes, aber etwas abrupt einsetzendes Finale: Hätten die Ermittler sich die wichtigsten Indizien einfach früher genauer vorgeknöpft, wäre der Fall auch schneller gelöst gewesen. Eine überraschende Erkenntnis im Präsidium, eine eilige Fahrt zum Ort des Geschehens: Auf der Zielgeraden wirkt der Tatort so, als hätte man ihn noch schnell zu Ende bringen müssen, obwohl man noch viel mehr zu erzählen gehabt hätte. Der beklemmende Showdown bietet dann allerdings noch einmal die Bühne für die stärksten Darsteller des Krimidramas: Inka Friedrich und Cornelius Obanya, die in der Rolle der undurchsichtigen Großeltern groß aufspielen.

Bewertung: 5/10




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