Folge: 1237 | 14. Mai 2023 | Sender: SWR | Regie: Kai Wessel
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Bild: SWR/Benoît Linder |
So war der Tatort:
Jugendlich.
Denn der elfte Schwarzwald-Tatort mit den Freiburger Hauptkommissaren Franziska Tobler (Eva Löbau) und Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner) verhandelt Generationenkonflikte und richtet den Scheinwerfer auf die Jugend von heute – genauer gesagt auf die Gen Z, wie sie sich Drehbuchautorin Astrid Ströher (Propheteus) im Jahr 2023 eben so vorstellt.
Viele andere Filmemacher sind an solchen Vorhaben grandios gescheitert – man denke an katastrophale Tatort-Folgen wie Dinge, die noch zu tun sind aus Berlin, Der Wald steht schwarz und schweiget aus Ludwigshafen oder den ersten Bibi-Fellner-Tatort Vergeltung aus Wien. Ströher und Regisseur Kai Wessel, die bereits den mauen Schwarzwald-Tatort Saras Geständnis arrangierten, machen es allerdings etwas besser. Sie haben zumindest im Ansatz glaubwürdige jugendliche Figuren geschaffen, wenngleich sich auf den zweiten Blick Schwächen offenbaren.
Im Zentrum der mit viel Zeitgeist und Klimasünder-Kritik durchsetzten Geschichte stehen die Stiefgeschwister Benno Schenk (Aniol Kirberg) und Zoé Wolf (Caroline Cousin, mimte einen Sonntag zuvor die Mörderin im Kieler Tatort Borowski und die große Wut): Die beiden träumen vom schnellen Geld durch Krypto-Trading und Kurierfahrten für Drogenboss Dennis Risch (Victor Calero, Kopper), der in Lammbock-Manier eine Pizzeria als Tarnung nutzt. Weil der Kipppunkt der Klimakatastrophe überschritten ist, wollten sie sich mit der Kohle und ihrem Freund Christopher Gnabri, der tot aufgefunden wird, eigentlich nach Neuseeland absetzen. Dort lässt es sich angeblich gut aushalten.
Die Letzte Generation lässt grüßen, aber so richtig zusammenpassen wollen ihr Idealismus und die Drogenfahrten nicht. Und der Tatort wäre auch nicht der Tatort, wenn das Thema des Themenkrimis nicht auch im Privatleben der Kriminalisten gespiegelt würde: Tobler muss sich mit ihrer Nichte Vanessa (Lola Höller) herumschlagen, die Stress mit ihren Eltern hat und Zuflucht bei der coolen Kripo-Tante sucht. Die vegan lebende Teenager-Zicke träumt von einer Karriere als YouTuberin, schaut aber verständnislos aus der Wäsche, als Tobler den vielgeäußerten Berufswunsch ernst nimmt und Nägel mit Köpfen macht. Eine herrlich entlarvende Sequenz – vielleicht die beste des Films.
TOBLER:Hier, guck mal. Hier sind so ein paar Beispiele, wie so ein Businessplan aussehen könnte. Schau.VANESSA:Heute ist Samstag.
TOBLER:
Ja, als Influencerin haste dann auch kein Wochenende mehr.
Der unterm Strich etwas anstrengende, zwischendurch aber recht witzige Nebenstrang der Handlung steht exemplarisch für das formelhafte Gesamtkonstrukt dieser Tatort-Folge, das sich leider auch in den Nebenrollen offenbart. Da gibt es den Assistenten Sami mit Migrationshintergrund, den bisexuellen Basketballtrainer Marius Ulrichs (Max Woelky, Kassensturz) oder die Person of Color Eileen Gnabri (Dalila Abdallah), die im Rollstuhl um ihren Sohn trauert. Diversität vom Reißbrett, wie man sie steifer kaum aufplanen kann. In der Hauptrolle hingegen ein Skat spielender, konservativer Boomer, der Tobler anbietet, der aufmüpfigen Nichte mal die Ohren lang zu ziehen.
Dass Das geheime Leben unserer Kinder unterm Strich ein solides, aber kein wirklich gutes Krimidrama ist, hat allerdings auch andere Gründe: Schon der Einstieg in den Film missglückt, weil der so unübersichtlich startet, dass einige Zuschauer schon nach Minuten den Überblick verlieren dürften. Welches Kind gehört zu welchem Elternteil, wer ist und war da jetzt wann mit wem zusammen? Hinzu gesellen sich handwerkliche Mängel: Ton-Bild-Scheren und Splitscreens, sind nette ästhetische Fingerübungen, aber wenig hilfreich, wenn links eine Messenger-Nachricht gelesen werden muss und rechts ein wichtiges Vater-Sohn-Gespräch stattfindet.
Mit laufender Spieldauer entwirren sich die Handlungsfäden und der Freiburger Tatort hat seine besten Momente dann, wenn bis dato Unausgesprochenes ausgesprochen wird. In der Beziehung der noch immer nicht geschiedenen Geigenbauerin Miriam Schenk (Susanne Bormann, Der Fall Holdt) und dem arbeitslosen Klavierlehrer Paul Wolf (Christian Schmidt, Schlaflos in Weimar) liegt mehr im Argen, als sie zu Beginn des Krimis ahnen, während Oliver Schenk (Kai Ivo Baulitz) sowohl seinen bettelnden Sohn Benno als auch den Lover seiner Verflossenen abblitzen lässt. Interessant ist auch die juristische Komponente: Das Aussageverweigerungsrecht greift nur bei Verheirateten.
Wirklich spannend ist das alles aber nur selten – und so plätschert Das geheime Leben unserer Kinder wie so viele Schwarzwald-Folgen solide dahin, ohne die ganz große Angriffsfläche zu bieten. Wirklich drüber ist allerdings das verregnete Zeitlupenfinale in Wild-West-Manier: So bodenständig und unaufgeregt der Krimi ansonsten daher kommt, so sehr verliert er am Ende die Bodenhaftung.
Bewertung: 5/10
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📅 Ausblick: Dieser Tatort läuft am nächsten Sonntag