Folge: 884 | 27. Oktober 2013 | Sender: BR | Regie: Dominik Graf
So war der Tatort:
Typisch Graf - Dominik Graf. Geschlagene achtzehn Jahre hat sich der zehnfache (!) Grimme-Preis-Gewinner Zeit gelassen, um nach Schwarzes Wochenende (1986) und dem vieldiskutierten Meilenstein Frau Bu lacht (1995) endlich mal wieder einen Tatort zu inszenieren. Und das Warten hat sich gelohnt: In der Zwischenzeit hat der von der Kritik gefeierte, vom Publikum aber nur teilweise angenommene Filmemacher nicht nur herausragende TV-Serien wie Im Angesicht des Verbrechens oder einige starke Folgen der Polizeiruf 110-Reihe realisiert, sondern sich auch als Regisseur eine ganze Ecke weiterentwickelt. Punktete der vergleichsweise bieder inszenierte Frau Bu lacht vor allem aufgrund der Brüche mit den obersten Tatort-Prinzipien und seines mutigen Showdowns, bei dem die Münchner Hauptkommissare Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) einer überführten Mörderin zur Flucht in ihr Heimatland Thailand verhelfen, bewegt sich Aus der Tiefe der Zeit schon allein stilistisch auf allerhöchstem TV-Niveau. Graf stürmt förmlich in die Geschichte und stößt das unvorbereitete Sonntagabendpublikum mit knackigen Parallelmontagen, anstrengenden Ton-Bild-Scheren und einem nebulösen Blick in die Vergangenheit kolossal vor den Kopf. Ein extrem anstrengender Auftakt - und auch in der Folge gestattet das Drehbuch von Grafs langjährigem Weggefährten Bernd Schwamm (Die apokalyptischen Reiter) dem Zuschauer kaum einen Moment der Ruhe. Selbst Leitmayrs einleitende Wohnungssuche im Münchner Westendviertel, das aufgrund der ärgerlichen Navi-Ansagen zur Odyssee wird, verpacken die beiden Filmemacher als Wettlauf gegen die Zeit - dabei ist die Leiche zu diesem Zeitpunkt noch nichtmal gefunden und der Kommissar lediglich auf der Suche nach einer vorübergehenden Bleibe, weil es im eigenen Domizil einen Wasserschaden gegeben hat.
Von der mutigen Radikalität und inhaltlichen Klasse des Graf-Vorgängers Frau Bu lacht ist der 884. Tatort ein gutes Stück entfernt - dafür ist die Geschichte ein wenig zu überfrachtet und das Krimikorsett, in das Graf seine Geschichte steckt, zu allgegenwärtig. Dennoch: Aus der Tiefe der Zeit ist ein erstklassig inszeniertes und gekonnt arrangiertes Familiendrama im Schafspelz, in dem vor allem die charismatische Erni Mangold (Nie wieder Oper) als schwerreiches Familienoberhaupt Magda Holzer zu großer Form aufläuft. Die ehemalige Zirkuslegende ballert im Garten ihres mondänen Anwesens auf alles, was nicht bei drei auf den Bäumen ist, so dass sich das Publikum glatt vorkommt wie in einem Italo-Western. Dieser Eindruck verstärkt sich nicht zuletzt auch dadurch, dass der leinwanderprobte Kameramann Alexander Fischerkoesen (Schwarzer Peter) immer wieder urplötzlich in die Gesichter der Protagonisten zoomt, während der bildgewaltige Showdown fast an eine antike Tragödie erinnert: Das Schwimmbecken färbt sich rot (s. Bild), die Holzersche Villa wird in ihren Grundfesten erschüttert und die Münchner Hauptkommissare müssen machtlos dabei zusehen. Nicht nur wegen dieses ebenso blutigen wie dramatischen Showdowns ist aus Aus der Tiefe der Zeit ist ein echtes Tatort-Erlebnis. Das wird vor allem dem konservativen und an den inszenatorischen TV-Einheitsbrei gewöhnten Publikum weniger schmecken, doch aus der Masse der Standard-Krimis sticht Grafs dritter Fadenkreuzkrimi erfreulich heraus. In einer Nebenrolle ist dabei Ex-Tatort-Kommissar Maximilian Brückner (Verschleppt), der 2011 im Zuge einer medialen Schlammschlacht vom SR vor die Tür gesetzt wurde, zu entdecken: Man muss zweimal hinsehen, um den Blondschopf als homosexuellen Edel-Coiffeur mit offenem Ohr für entscheidende Hinweise auf den Mörder wiederzuerkennen.
So war der Tatort:
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Bild: BR/Frederic Batier |
Von der mutigen Radikalität und inhaltlichen Klasse des Graf-Vorgängers Frau Bu lacht ist der 884. Tatort ein gutes Stück entfernt - dafür ist die Geschichte ein wenig zu überfrachtet und das Krimikorsett, in das Graf seine Geschichte steckt, zu allgegenwärtig. Dennoch: Aus der Tiefe der Zeit ist ein erstklassig inszeniertes und gekonnt arrangiertes Familiendrama im Schafspelz, in dem vor allem die charismatische Erni Mangold (Nie wieder Oper) als schwerreiches Familienoberhaupt Magda Holzer zu großer Form aufläuft. Die ehemalige Zirkuslegende ballert im Garten ihres mondänen Anwesens auf alles, was nicht bei drei auf den Bäumen ist, so dass sich das Publikum glatt vorkommt wie in einem Italo-Western. Dieser Eindruck verstärkt sich nicht zuletzt auch dadurch, dass der leinwanderprobte Kameramann Alexander Fischerkoesen (Schwarzer Peter) immer wieder urplötzlich in die Gesichter der Protagonisten zoomt, während der bildgewaltige Showdown fast an eine antike Tragödie erinnert: Das Schwimmbecken färbt sich rot (s. Bild), die Holzersche Villa wird in ihren Grundfesten erschüttert und die Münchner Hauptkommissare müssen machtlos dabei zusehen. Nicht nur wegen dieses ebenso blutigen wie dramatischen Showdowns ist aus Aus der Tiefe der Zeit ist ein echtes Tatort-Erlebnis. Das wird vor allem dem konservativen und an den inszenatorischen TV-Einheitsbrei gewöhnten Publikum weniger schmecken, doch aus der Masse der Standard-Krimis sticht Grafs dritter Fadenkreuzkrimi erfreulich heraus. In einer Nebenrolle ist dabei Ex-Tatort-Kommissar Maximilian Brückner (Verschleppt), der 2011 im Zuge einer medialen Schlammschlacht vom SR vor die Tür gesetzt wurde, zu entdecken: Man muss zweimal hinsehen, um den Blondschopf als homosexuellen Edel-Coiffeur mit offenem Ohr für entscheidende Hinweise auf den Mörder wiederzuerkennen.
Bewertung: 8/10