Folge: 1210 | 25. September 2022 | Sender: HR | Regie: Matthias X. Oberg
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Bild: HR/Bettina Müller |
So war der Tatort:
Trickreich.
Felix Murot (Ulrich Tukur) und seine Kollegin Magda Wächter (Barbara Philipp) bekommen es diesmal nämlich mit zwei Trickdiebinnen zu tun – und die legen nicht nur wohlhabende Männer aufs Kreuz, sondern sogar den LKA-Kommissar höchstpersönlich. Murot macht nach einem Vortrag an der Hotelbar eine weibliche Bekanntschaft und führt sie zum Essen aus – bemerkt in angetrunkenem Zustand allerdings nicht, dass ihm die attraktive Perückenträgerin K.O.-Tropfen in den Bordeaux kippt. Am nächsten Morgen wacht er groggy und ohne Brieftasche in seinem Hotelzimmer auf.
Der Zufall und Drehbuchautor Lars Hubrich, der zuletzt die Geschichten zum schrägen Frankfurter Tatort Falscher Hase und zum brillanten Freiburger Mindfuck Damian schrieb, wollen es, dass in eben diesem Hotel am nächsten Morgen nicht nur der ausgeknockte Murot, sondern auch eine Leiche liegt. Martin Landrot (Dirk Martens, Liebeswut), der einen Laptop mit Infos über seinen Arbeitgeber bei sich trug, wurde wenige Zimmer weiter mit einem Handtuch erstickt. Bereits im vorherigen Tatort – dem starken Stuttgarter Fahrerfluchtsdrama Der Mörder in mir– machten die Filmemacher aus dem Täter kein Geheimnis. So ist es auch hier.
Im elften Fadenkreuzkrimi mit Felix Murot werden wir einleitend Zeuge dessen, wie Landrots Kollege Xavier (Thomas Schmauser, Angriff auf Wache 08) das Opfer in seinem Jähzorn ins Jenseits befördert, weil der sich das wichtige Notebook hat klauen lassen. Der angeschlagene Murot und die genervte Wächter haben nach der Tatort-Begehung aber erstmal andere Sorgen: Der LKA-Ermittler muss körperlich wiederhergestellt werden und landet bei Wächters indischem Hausarzt (Mohammad-Ali Behboudi, Sturm). Der redet Murot in Sachen Tumorvorsorge ins Gewissen und liefert auch die Erklärung für den Krimititel.
ARZT:Schlechtes Karma entsteht durch den Eingriff ins Leben eines Anderen.MUROT:Gutes Karma, schlechtes Karma – das mag ja da, wo Sie herkommen, wunderbar funktionieren.ARZT:Das Gesetz des Karma funktioniert überall.
Murot und das Gesetz des Karma, der beim Festival des deutschen Films 2022 seine Vorpremiere auf der Ludwigshafener Parkinsel feierte, ist eine der schwächeren Tatort-Folgen aus Wiesbaden – aber noch lange kein schwacher Tatort. Der Cast ist erneut stark und die Story originell, oft überraschend und skurril, stellenweise aberwitzig. Die ganz große Klasse, das absolut Außergewöhnliche, mit dem der Hessische Rundfunk in den letzten Jahren regelmäßig das Publikum spaltete, lässt sie diesmal jedoch vermissen. An grandiose Beiträge wie das von vielen Zuschauern verkannte Meta-Experiment Wer bin ich? oder den köstlichen Zeitschleifenspaß Murot und das Murmeltier reicht sie nicht heran. Denn so trickreich und verblüffend wie die zwei Diebinnen gestaltet sich das Drehbuch nur selten.
Nach dem fiebrigen Auftakt im Hotel stürzt der Film zudem in ein Spannungsloch: Verkaterte Ermittler sind in der Krimireihe nichts Neues (vgl. zuletzt Die Guten und die Bösen oder Rhythm and Love), und da nicht nur der Täter, sondern auch die kriminellen Frauen von Beginn an bekannt sind, plätschert der Film eine ganze Weile unspektakulär vor sich hin. An Fahrt gewinnt der melancholisch angehauchte, von Regisseur Matthias X. Oberg souverän inszenierte Tatort erst mit dem Fokus auf die Machenschaften der frechen Diebin Eva (Anna Unterberger) und ihrer namenlosen Mitstreiterin (Marina Mitterhofer, spielte die Mörderin von Martina Bönisch im Dortmunder Tatort Liebe mich!).
Hier orientieren sich die Filmemacher stark am Fall Wirecard– der arrogante "Delphi Invest"-Boss Malte Schöller (Philipp Hochmair, Wo ist nur mein Schatz geblieben?) ist allerdings kaum mehr als ein stereotypes Tatort-Pendant zu Jan Marsalek oder Markus Braun und erhält als Figur wenig Profil. Durch Evas lebensgefährlichen Erpressungsversuch darf sich stattdessen Thomas Schmauser als Handlanger seines wenig zimperlichen Chefs in den Vordergrund spielen – und macht seine Sache unheimlich gut. In Erinnerung bleibt vor allem eine Szene mit einer Bärenfalle, die schon beim Hinsehen fürchterlich weh tut.
Dass Murot und das Gesetz des Karmaähnlich wie der Vorgänger Murot und das Prinzip Hoffnung schwer in Fahrt kommt, liegt ansonsten vor allem daran, dass die Filmemacher einen anderen Schwerpunkt setzen als im Tatort üblich: Ob die Diebinnen geschnappt werden und Xavier für den Mord büßt, ist am Ende fast zweitrangig. Viel relevanter, aber nicht unbedingt aufregender scheint die ausführlich thematisierte, mögliche Vaterschaft von Felix Murot zu sein, dessen Sohn im Tatort-Meisterwerk Im Schmerz geboren starb und der womöglich eine Tochter hat, von der er nichts wusste. Ob er wirklich der Erzeuger ist, bleibt bis zum Vaterschaftstest offen – Hauptdarsteller Ulrich Tukur hat dazu allerdings eine klare Meinung (wir erläutern sie hier: → Hat Felix Murot eine Tochter?).
Bewertung: 6/10
🎥 Drehspiegel: Der nächste Tukur-Tatort wird spektakulär
💬 Das sagt Ulrich Tukur: Hat Felix Murot eine Tochter?
📅 Ausblick: Dieser Tatort läuft am nächsten Sonntag